HP COMPACT | im Oktober 2010 |
Petra Debring, Rechtsanwältin in Hannover, Fachanwältin für Steuerrecht

 

Die Internationalisierung unternehmerischer Aktivitäten macht die Entsendung von Mitarbeitern und Führungspersonal ins Ausland erforderlich. Trotz modernster Kommunikationsmittel gewährleistet oftmals nur eine längerfristige Anwesenheit vor Ort den gegenseitigen geschäftlichen Erfolg. Die Entsendung von Arbeitnehmern in das Ausland gewinnt daher laufend an Bedeutung. Nur so können Kenntnisse der Unternehmensziele und des Produkts vor Ort genutzt und Konzepte zügig umgesetzt werden. Erforderlich ist jetzt der richtige Mitarbeiterumgang sowohl vor Beginn als auch nach Beendigung des Einsatzes. Daneben rücken aus Unternehmenssicht vor allem aber ganz praktische Fragen aus den Arbeits- und Sozialversicherungsrecht in den Blickpunkt.

Bei der Entsendung von Arbeitnehmern ergeben sich insbesondere Probleme im rahmen der arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung. Eine korrekte sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist für die Arbeitnehmer wichtig, um ihnen umfassenden Sozialversicherungsschutz zu gewährleisten. Außerdem birgt eine falsche sozialversicherungsrechtliche Beurteilung die Gefahr erheblicher Nachzahlungsverpflichtungen für den Arbeitgeber in sich. Daneben sind steuerrechtliche Problemstellungen zu beachten. Die steuerlichen Fragen sind jedoch nicht Gegenstand dieses Beitrages.

Die arbeitsrechtlichen Fragestellungen werden im folgenden insoweit erläutert, als dass dies für die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Problemstellungen erforderlich sind.

 

Arbeitnehmerentsendung

Der Begriff der Arbeitnehmerentsendung stammt aus dem Arbeitsrecht. Er ist aber heute auch im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht gebräuchlich.

Eine Arbeitnehmerentsendung liegt grundsätzlich dann vor, wenn ein Arbeitnehmer auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers (entsendendes Unternehmen), im Ausland eine Beschäftigung für ihn ausübt. Eine Entsendung ist auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer im Inland eigens für eine Arbeit im Ausland eingestellt wird. Hält sich der Arbeitnehmer jedoch bereits vor Tätigkeitsaufnahme dauerhaft im Ausland auf bzw. ist dort beschäftigt und nimmt von dort aus eine Beschäftigung für einen inländischen Arbeitgeber auf, handelt es sich um eine Ortskraft. Ein Fall der Entsendung liegt nicht vor.

Die Entsendung eines Mitarbeiters in das Ausland macht regelmäßig eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages notwendig; der Vertrag muss dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise ausgehändigt werden. In der Regel ist die Zustimmung des Betriebsrates dann erforderlich, wenn die Entsendung mehr als einen Monat andauert oder eine erhebliche Änderung der Arbeitsbedingungen mit sich bringt.

 

Ausstrahlung

Bei einer vorübergehenden Entsendung, die eine bestimmte Dauer nicht überschreitet, bleibt der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig (sog. Ausstrahlung). Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis zu einer ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt eine dauerhafte Auslandstätigkeit vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt.

 

Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sind:

Beschäftigungsverhältnis im Inland

Es müssen vertragliche Bindungen des Arbeitnehmers zu einem Arbeitgeber im Inland bestehen. Damit liegt eine Entsendung nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer im Ausland wohnt und dort von einem inländischen Arbeitgeber für eine Tätigkeit im Ausland angeworben wird. Wird ein Mitarbeiter eines Großunternehmens an eine selbständige Tochterfirma im Ausland abgeordnet, bleibt die deutsche Sozialversicherungspflicht bestehen, wenn das Entgelt des abgeordneten Arbeitnehmers weiter vom Mutterunternehmen gezahlt wird und das Mutterunternehmen weisungsbefugt bleibt.

 

Entsendung ins Ausland

Eine Entsendung nach dem vierten Sozialgesetzbuch (§ 4 SGB IV) setzt voraus, dass sich der Arbeitnehmer von dem Ort seiner Beschäftigung in der Bundesrepublik in ein anderes Land begibt.

 

Zeitliche Begrenzung

Eine zeitliche Begrenzung im Voraus ist notwendig. Des Weiteren muss gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer beim entsendenden Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird.

 

Pflichtversicherung auf Antrag

Untersteht der Arbeitnehmer nach den oben genannten Voraussetzungen nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht, bestehen folgende Möglichkeiten, den Versicherungsschutz in Deutschland aufrechtzuerhalten:

Rentenversicherung

Ist der Auslandsaufenthalt zeitlich begrenzt, kann der Arbeitgeber die sogenannte Pflichtversicherung für seinen Arbeitnehmer abschließen (§ 4 SGB VI). Hierzu muss er einen Antrag an die Deutsche Rentenversicherung richten. Weiter ausführliche Informationen zur Rentenverscherung finden Sie über das Internet (www.deutsche-rentenversicherung.de)

Besteht keine zeitliche Begrenzung, gibt es nur die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, bei der die Beitragshöhe individuell festgelegt werden kann.

– Krankenversicherung

Auch hier ist eine freiwillige Versicherung möglich (§ 9 SGB V).

– Pflegeversicherung

Die Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung setzt einen Antrag voraus, der spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht zu stellen ist.

– Unfall-/Arbeitslosenversicherung

 

In beiden Fällen besteht die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Versicherung. Einige Berufsgenossenschaften bieten jedoch einen Auslandsunfallversicherungsschutz an.

 

Entsendung innerhalb der EU

Die EU-Verordnung Nr. 883/04 regelt, dass der entsandte Arbeitnehmer unter folgenden Voraussetzungen allen Zweigen der deutschen Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung) unterliegt:

  • Entsendender Arbeitgeber muss gewöhnlich in Deutschland tätig sein (nicht nur reine Verwaltungstätigkeit)
  • EU-Bürger, Flüchtling oder Staatenloser
  • Entsendung
  • Entsendungsdauer ab 1. Mai 2010 höchstens 24 Monate (Keine Verlängerung möglich!)

Der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer muss bei der gesetzlichen Krankenversicherung einen Entsendeausweis beantragen, mit dem er im Ausland Leistungen beanspruchen kann. Die Formulare stehen im Internet zum Download zur Verfügung.

 

Sozialversicherungsabkommen

Darüber hinaus hat Deutschland mit einigen Ländern Sozialversicherungsabkommen geschlossen. Diese Abkommen sehen vor, dass aus Deutschland entsandte Arbeitnehmer nicht der ausländischen, sondern der deutschen Sozialversicherung unterliegen. Hier sollte man sich genau informieren, da die Reichweite der Abkommen sehr unterschiedlich ist und zum Teil nur die Renten- oder Krankenversicherung betrifft. Die einzelnen Abkommen finden Sie ebenfalls im Internet.

Ähnliche Regelungen wie in der EU bestehen zwischen Deutschland und einer Reihe weiterer europäischer Staaten. Dazu gehören u.a.: Bosnien-Herzegowina, Bulgarien (nur Rentenabkommen), Kroatien, Mazedonien, Serbien und Montenegro.

Sozialversicherungsabkommen bestehen auch mit folgenden Ländern außerhalb Europas:

Australien, Chile, Südkorea und USA (nur Rentenabkommen), China (nur Entsendeabkommen), im Übrigen, Israel, Japan, Kanada, Marokko und Tunesien.

In all diesen Regelungen geht es nicht darum, die Systeme der Sozialen Sicherheit zu harmonisieren. Sie sollen lediglich koordiniert werden. Wichtig ist, dass die internationalen Regelungen nicht nur die Pflichtversicherung erfassen, sondern auch die freiwillige Versicherung unter den jeweils geltenden Bedingungen. Die Regelungen der EU gelten für Arbeitnehmer, Selbständige und Studenten, wenn diese nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrer Mitgliedstaaten versichert sind oder waren.

 

Tätigkeitsstandort Schweiz

Das Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Schweiz findet grundsätzlich nur auf die Renten-, die Arbeitslosen- und die Krankenversicherung Anwendung. Da die Pflegeversicherung von dem Abkommen nicht erfasst wird, ist eine Beurteilung nach nationalen Gesetzen vorzunehmen. Entsandte Arbeitnehmer unterliegen gem. Art. 6 Abs. 1 des Abkommens weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Entsendestaates, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind.

  • Die Entsendung dauert nicht länger als 24 Kalendermonate und
  • Der Arbeitnehmer ist bei einem Unternehmen, dem er gewöhnlich angehört, im Entsendestaat beschäftigt.

Übersteigt die Entsendung 24 Kalendermonate, so ist eine Anwendung der Rechtsvorschriften des Entsendestaates nur im Rahmen einer Ausnahmevereinbarung möglich.

 

Tätigkeitsstandort Türkei

Das Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei findet grundsätzlich nur auf die Renten- und die Krankenversicherung Anwendung. Da die Arbeitslosen- und die Pflegeversicherung von dem Abkommen nicht erfasst werden, ist eine Beurteilung nach nationalen Gesetzen vorzunehmen. Entsandte Arbeitnehmer unterliegen gem. Art. 6 Abs. 1 des Abkommens weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Entsendestaates, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen mit Sitz in einem der beiden Abkommenstaaten und der Arbeitnehmer wird nur vorübergehend in den anderen Abkommenstaat entsandt.
  • Eine zeitliche Begrenzung ist nicht vorgesehen, allerdings darf die Entsendung nicht unbegrenzt sein.

 

Tätigkeitsstandort USA

Das Sozialversicherungsabkommen Deutschland/USA findet grundsätzlich nur auf die Rentenversicherung Anwendung. Da die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung von dem Abkommen nicht erfasst werden, ist eine Beurteilung nach nationalen Gesetzen vorzunehmen.

Entsandte Arbeitnehmer unterliegen gem. Art. 6 Abs. 2 des Abkommens weiterhin den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Entsendestaates, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Entsendung dauert nicht länger als 60 Kalendermonate und
  • der Arbeitnehmer ist bei einem Unternehmen, dem er gewöhnlich angehört, im Entsendestaat beschäftigt. Übersteigt die Entsendung 60 Kalendermonate, ist eine Anwendung der Rechtsvorschriften des Entsendestaates nur im Rahmen einer Ausnahmevereinbarung möglich. Untersteht ein Arbeitnehmer aufgrund Abkommensrecht den deutschen Rechtsvorschriften, so sind keine Beiträge an die Medicare Part A zu entrichten.

 

Tätigkeitsstandort Indien

Deutschland und Indien haben ab dem 1. Oktober 2009 ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen. Es regelt die Vermeidung der Doppelversicherung in beiden Staaten im Falle von vorübergehenden Entsendungen. Der Entsendezeitraum kann bis zu 48 Kalendermonate betragen und um höchstens 12 Kalendermonate verlängert werden. Darüber hinaus kann mit einer Ausnahmegenehmigung erreicht werden, dass z.B. ein Arbeitnehmer, der für einen vorübergehenden Zeitraum von seiner deutschen Mutter- zu einer Tochtergesellschaft nach Indien entsandt wird, weiterhin den deutschen Rechtsvorschriften unterstellt bleibt, selbst wenn der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale seines Beschäftigungsverhältnisses in Indien liegt. Diese Personen werden künftig grundsätzlich in dem ihnen vertrauten Rechtssystem verbleiben können.

 

Tätigkeitsstandort Türkei Brasilien

Am 03.12.2009 wurde das deutsch-brasilianische Sozialversicherungsabkommen unterzeichnet. Es ist seit dem 05.08.2010 auf deutscher Seite in Kraft, auf brasilianischer Seite hingegen noch nicht.

Ziel des Abkommens ist es künftig Doppelversicherungen zu vermeiden. Wenn künftig deutsche Arbeitnehmer nach Brasilien entsandt werden, sind sie im dortigen Rentenversicherungssystem befreit. Gleiches gilt auch im ungekehrten Fall für brasilianische Arbeitnehmer , die nach Deutschland entsandt werden. Der Zeitraum kann in beiden Fällen bis zu 24 Monate betragen. Das sogenannte Leistungsexportprinzip, welches mit dem Sozialversicherungsabkommen verbunden ist, sieht vor, dass die Zahlung von Renten uneingeschränkt in den anderen Staat erfolgen kann. Ebenso können durch Zusammenrechnung der Versicherungszeiten, die in Deutschland und Brasilien vorliegen, die Wartezeiten erfüllt werden. Das deutsch-brasilianische Abkommen folgt damit den Prinzipien der Abkommen, die auch innerhalb der Europäischen Union bestehen.

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