Hannover, 07.01.2021  | Über den Brexit wurde in den letzten Jahren immer wieder berichtet, aber eben nur vorläufig und unter dem Vorbehalt der endgültigen Regelungen.  Nun haben sich EU und UK  im letzten Moment geeinigt: seit dem 01. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich (UK) getrennt von der EU – die Übergangsphase ist beendet, UK ist nicht mehr Teil des Binnenmarktes und der Zollunion und scheidet aus allen internationalen Verträgen der EU aus.

EU und UK haben den Weg für ihr künftiges Verhältnis im Withdrawal Agreement vom 12. November 2019 und im Trade and Cooperation Agreement vom 24. Dezember 2020 (TCA) vorgegeben.

Für Sie haben wir nun das Ergebnis zum Brexit und die wichtigsten Rechtsfolgen für Unternehmen in einem compact Beitrag zusammengefasst:

Hier können Sie sich das HP Compact als pdf-Datei kostenlos downloaden.

BREXIT – Personal in EU und UK

Stephanie Reese, Rechtsanwältin in Hannover, Januar 2021

Europäische Union (EU) und Vereinigtes Königreich (UK) haben zum Jahreswechsel mit dem Ablauf der Übergangsphase ein neues Kapitel ihrer Beziehungen aufgeschlagen. Die Übergangsphase sollte den Unternehmen Zeit geben, sich auf die bevorstehenden Änderungen einzustellen.

Noch am 24. Dezember 2020 haben EU und UK das Handels- und Kooperationsabkommen (Trade and Cooperation Agreement / TCA) abgeschlossen. Es gilt bereits vorläufig seit dem 01. Januar diesen Jahres und bereitet auf die nun bereits eingetretenen sowie künftig noch zu erwartenden Änderungen vor. Das TCA umfasst neben Vereinbarungen über Handelskonditionen auch Fragen der Kooperation, die Personal und Mitarbeiter betreffen. Dieser Beitrag beschreibt die wesentlichen rechtlichen Änderungen für die Arbeitnehmer und Unternehmen.[1]

Aufenthaltsrechte von EU-Bürgern in UK sowie von britischen Staatsbürgern in der EU

Seit Jahresbeginn dürfen sich EU-Bürger und britische Staatsbürger nunmehr als Angehörige eines Drittstaats im Aufnahmestaat unter folgenden Voraussetzungen aufhalten:

EU-Bürger

EU-Bürger, die zum Jahresende bereits fünf Jahre in UK gelebt und gearbeitet haben, können sich bis zum 30. Juni 2021 in UK registrieren und ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht beantragen, den sogenannten „settled status“. Dieser Status ermöglicht EU-Bürgern unter denselben rechtlichen Bedingungen weiterhin in UK zu leben und zu arbeiten, so wie sie es vor Ende der Übergangsphase nach EU-Recht durften.

Erfüllen EU-Bürger diese Voraussetzung nicht, können sie einen sogenannten „pre-settled status“ beantragen. Diesen Status können sie dann nach fünf Jahren Arbeit und Aufenthalt in UK in einen „settled status“ umwandeln lassen.

Britische Staatsbürger

Das Recht eines britischen Staatsbürgers zum Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat richtet sich nun nach dessen nationalen Recht, also den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen für Angehörige eines Drittstaats, wenn er zum Ende der Übergangsphase nicht in einem anderen EU-Staat lebte. In Deutschland richtet sich das Recht zum Aufenthalt für diese britischen Staatsbürger damit nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz und der Beschäftigungsverordnung.

Lebte ein britischer Staatsbürger zum Ende der Übergangsphase in Deutschland bzw. einem anderen EU-Staat, sieht das Austrittsabkommen (Withdrawal Agreement / WA) ein Recht zum Daueraufenthalt in dem jeweiligen EU-Staat vor.

Dieses Recht setzt den Aufenthalt in Deutschland für die Dauer von fünf anrechenbaren Jahren voraus. Dabei sind solche Aufenthaltszeiten anrechenbar, die der britische Staatsbürger nach dem Grundsatz der Freizügigkeit in der EU insgesamt vor und nach Ende des Übergangszeitraums erworben hat. In bestimmten Fällen ist eine Abwesenheit des britischen Staatsbürgers in Deutschland unschädlich und steht einer Anrechnung nicht entgegen, zum Beispiel bei einer vorübergehenden Abwesenheit von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr oder einer einzigen Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Studium oder Berufsausbildung oder beruflicher Entsendung in ein anderes Land.

Ausnahmsweise müssen britische Staatsangehörige die Voraussetzung des fünfjährigen Aufenthaltes auch dann nicht erfüllen, wenn sie u.a. unter bestimmten Bedingungen wie Alter oder Vorruhestand in Rente gehen oder sonst nicht mehr erwerbstätig sind, ebenso wenn sie als Familienangehörige eines verstorbenen britischen Staatsbürgers zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten. Dies gilt, wenn der Brite selbst nach dem WA berechtigt war. War er bereits vor dem 31. Dezember 2020 verstorben, musste er in der EU erwerbstätig oder freizügigkeitsberechtigt gewesen sein und sich mindestens zwei Jahre in Deutschland ständig aufgehalten haben oder infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gestorben sein.

Eine weitere Ausnahme gilt, wenn der britische Staatsbürger selbst ein Daueraufenthaltsrecht nach dem bisherigen Freizügigkeitsrecht erworben hatte.

Britische Staatsangehörige haben auch dann ein Recht zum Daueraufenthalt in Deutschland, wenn sie früher einmal diese Aufenthaltszeiten vollständig erfüllt hatten und Deutschland erst in den letzten fünf Jahren verlassen haben. Dann mussten sie auch nicht am 31. Dezember 2020 in Deutschland wohnen. Das Aufenthaltsrecht nach dem WA erlischt aber, wenn sie fünf Jahre lang nicht mehr in Deutschland wohnen, auch, wenn dieser Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 2020 liegt.

Haben sie den Aufenthalt in Deutschland unterbrochen und liegt dabei keiner der genannten Fälle vor, beginnt die Zählung von Neuem. Zeiten vor einer solchen Unterbrechung können nach einer Rückkehr nach Deutschland auch später nicht mehr angerechnet werden.

Wenn deutsche Arbeitgeber bereits vor Ende des Übergangszeitraums einen britischen Staatsbürger beschäftigten, der unter das WA fällt, müssen sie nichts weiter veranlassen. Dieser Arbeitnehmer ist zum Arbeiten in Deutschland weiterhin berechtigt. Allerdings müssen britische Arbeitnehmer, die bereits zum Jahreswechsel in Deutschland gelebt haben, bis zum 30. Juni 2021 ihren Aufenthalt bei der Ausländerbehörde anzeigen. Deutsche Arbeitgeber können bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund des WA darauf vertrauen, dass ihr britischer Arbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht hat. Erst mit Fristablauf sollten Arbeitgeber verlangen, dass der britische Arbeitnehmer ein solches Aufenthaltsrecht nachweist.

Grenzgänger

Grenzgänger mit britischer Staatsangehörigkeit dürfen auf Grundlage des WA weiterhin in Deutschland arbeiten, auch ohne hier zu wohnen. Dafür müssen sie als Arbeitnehmer tätig werden und nicht nur von ihrem ausländischen Arbeitgeber zur Erbringung einer Dienstleistung entsendet sein. Entsprechendes gilt auch für Selbstständige aus UK.

Kurzaufenthalte

Staatsbürger der EU und des UK brauchen bei Kurzaufenthalten im jeweiligen anderen Hoheitsgebiet von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen kein Visum. Damit sind kurze Geschäftsreisen zur Teilnahme an Besprechungen, Konferenzen oder Seminaren oder auch Verhandlung und Abschluss von Verträgen mit Kunden nach wie vor ohne vorherige Erlaubnis möglich.

Arbeitnehmerentsendung

Im Rahmen von Arbeitnehmerentsendungen ist zwischen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Entsendungen zu unterscheiden. Arbeitsrechtliche Entsendungen zwischen EU und UK, welche auf EU-Recht basierten, endeten am 31. Dezember 2020.

Sozialversicherungsrechtliche Entsendungen, die vor dem Ende der Übergangsphase begonnen haben, können, solange die Situation fortbesteht, auch über den 31. Dezember 2020 bis zum Ende ihrer Dauer fortgeführt werden. Für Entsendungen, die bis zum 31. Dezember 2020 begonnen haben und Personen, die sich weiterhin in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt befinden und nach dem 31. Dezember 2020 entsandt werden, kann damit bei Vorliegen der sonstigen Entsendevoraussetzungen die A1-Bescheinigung für maximal 24 Monate, mithin längstens bis zum 30. Dezember 2022 ausgestellt werden. Entsendungen, die nach dem 31. Dezember 2020 beginnen, werden nicht vom WA erfasst. Damit ist derzeit noch ungeklärt, ob und ggf. in welcher Form für den Zeitraum nach dem Ende der Übergangsphase zwischen der EU und UK Regelungen zur Koordinierung des sozialversicherungsrechtlichen Aspekts von Entsendungen gelten werden.

Arbeitnehmerüberlassung

Ob Überlassungen nach Ende der Übergangsphase fortgeführt oder begonnen werden können, hängt davon ab, zu welchem Ergebnis die Verhandlungen zwischen EU und UK zu den zukünftigen Beziehungen noch führen sowie von den rechtlichen Regelungen in UK. Denn eine Arbeitnehmerüberlassung setzt eine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz voraus. Zwar können auch ausländische Verleiher eine solche Erlaubnis in Deutschland beantragen, um Arbeitnehmer nach Deutschland überlassen zu können. Dafür muss allerdings der ausländische Verleiher seinen Sitz in einem EU-Mitgliedstaat haben. Da das WA nichts Gegenteiliges regelt, können künftig ohne entsprechende Vereinbarung zwischen EU und UK Verleihunternehmen mit Sitz in UK keine Arbeitnehmer mehr nach Deutschland zur Erbringung von Dienstleistungen überlassen.

Steuern

Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zur Vermeidung von doppelter Besteuerung sowie doppelter Nichtbesteuerung von Personen und Unternehmen ist unabhängig davon anwendbar, ob UK ein Mitgliedstaat der EU ist oder nicht. Damit ist das DBA insbesondere zur Ansässigkeit, zum Besteuerungsrecht für Arbeitslohn und zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch weiterhin anwendbar. Nichtsdestotrotz bringt der Austritt aus der EU Änderungen mit sich bezüglich der Anwendung der Vorschriften sowohl auf Steuerpflichtige, die in UK ansässig sind und Dienstleistungen in der EU erbringen als auch auf Steuerpflichtige, die in der EU ansässig sind und in UK Dienstleistungen erbringen.

So regelt das EU-Mehrwertsteuerrecht anhand der Vorschriften über den Ort der Dienstleistung, wo eine von einem Steuerpflichtigen erbrachte Dienstleistung als erbracht gilt. Befindet sich nach Ende des Übergangszeitraums der Ort der Dienstleistung in einem EU-Mitgliedstaat, unterliegt die Dienstleistung den Vorschriften der Mehrwertsteuer in diesem Mitgliedstaat. Dementsprechend unterliegt die Dienstleistung nicht mehr der EU-Mehrwertsteuer, wenn diese in UK erbracht wird. Im Rahmen der Bestimmung des Ortes der Dienstleistung ist hierbei wie bisher zwischen B2B- Dienstleistungen und B2C- Dienstleistungen zu unterscheiden. Während es bei B2B- Dienstleistungen für den Ort der Dienstleistung in der Regel auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistungsempfängers ankommt, ist bei der B2C -Dienstleistungen der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistungserbringers maßgeblich.

Anerkennung beruflicher Qualifikationen

Anerkennungen von britischen Berufsqualifikationen, die vor dem 31. Dezember 2020 erfolgten, bleiben weiterhin gültig. Auch sind bei Antragstellung durch EU-Bürger oder britische Staatsangehörige vor diesem Zeitraum auf Anerkennung von Berufsqualifikationen weiterhin die einschlägigen EU-Regelungen zur automatischen Anerkennung anwendbar.

Seit dem 01. Januar 2021 fällt UK nicht mehr unter die EU-Vorschriften, sodass die Anerkennung entsprechend dieser Regelungen nicht mehr gilt. Damit müssen ab dato EU-Bürger, welche ihre Qualifikation in UK erworben haben, diese auf der Grundlage der in Deutschland geltenden Vorschriften für in Drittstaaten erworbene Qualifikationen anerkennen lassen. Gleiches gilt für britische Staatsangehörige, die ihre Qualifikation nicht in einem EU-Mitgliedstaat erworben haben.

Im Übrigen erfolgt die Prüfung von Anträgen auf Anerkennung von Berufsqualifikationen nach dem TCA. Das TCA beinhaltet allgemeine Regelungen für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen

Sozialversicherungsrechtlich ist seit dem 01. Januar 2021 zwischen Bestandsfällen und Neufällen zu unterscheiden. Zu Bestandsfällen zählen Sachverhalte, die bereits vor dem 01. Januar 2021 eingetreten sind und bereits dann einen grenzüberschreitenden Bezug hatten. Neufälle sind Sachverhalte, die sich seit dem 01. Januar 2021 ergeben, sodass sie keinerlei Bezug zu UK aufweisen.

Das WA erfasst Bestandsfälle. Geregelt ist ein vollumfänglicher Bestandsschutz für EU-Bürger, britische Staatsangehörige sowie deren Familienangehörigen, die zum Ende der Übergangsphase dauerhaft in UK bzw. in der EU lebten und arbeiteten. Ebenso regelt das WA einen vollumfänglichen Bestandsschutz für Personen, die sich am Ende der Übergangsphase zwar nicht mehr in einer solchen Situation befinden, aber z.B. zu einem früheren Zeitpunkt in UK oder in der EU gearbeitet und Rentenanwartschaftszeiten zurückgelegt haben. Folglich konnten bis zum 31. Dezember 2020 alle in UK zurückgelegten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten sowie Zeiten einer selbstständigen Beschäftigung als Vorversicherungszeit in der Kranken- und Pflegeversicherung angerechnet werden. Damit konnten und können auch weiterhin Renten aus UK nach Deutschland bzw. Renten bei Rückkehr von Beschäftigten aus Deutschland ins UK exportiert werden, sodass es diesbezügliche keine Auswirkungen auf in Deutschland bzw. in UK erworbene Rentenansprüche und zurückgelegten Versicherungszeiten gibt.

Im Rahmen von Neufällen werden ab dem 01. Januar 2021 in UK zurückgelegte Zeiten nur dann angerechnet, wenn der Sachverhalt vom WA erfasst wird.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Beziehung zwischen EU und UK künftig weiter entwickeln wird. Mit Spannung dürfte das Ergebnis der weiteren Verhandlungen zur Arbeitnehmerüberlassung zu erwarten sein. Hier bedarf es einer gänzlich neuen Regelung, um Überlassungen zuzulassen und damit letztlich dem europäischen Arbeitsmarkt kein Hindernis zu bereiten.

Im Ergebnis werden trotz der Ermöglichung einer breiten Wirtschaftspartnerschaft sich insbesondere Personal und Unternehmen den sich aus den dargestellten Änderungen ergebenden Herausforderungen stellen müssen, um das neu aufgeschlagene Kapitel in den Beziehungen zwischen EU und UK erfolgreich beginnen und vor allem fortführen zu können.

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[1] Die compact Themen zum BREXIT:

BREXIT – IP und Wettbewerbsrecht, Jan 2021

BREXIT – Handel und Dienste, Jan 2021

BREXIT – Personal in EU und UK, Jan 2021

 

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